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Nordamerika

Kanadas Westen: Von den Rocky Mountains nach Vancouver Island


Mit dem Camper fahren wir von Calgary über die kanadischen Rocky Mountains bis ganz in den Westen des Landes nach Tofino auf Vancouver Island, wo der Kontinent endet und das wilde Leben beginnt.

3640 km
21 Tage
2,000 m
Expert

Nach der Ankunft in Calgary (London-Calgary: großartiger Flug mit atemberaubenden Ausblicken auf Grönland) dürfen wir nach den Regularien der Vermietungsfirma nicht sofort in unseren Camper steigen und losfahren. Wir müssen eine Nacht in einem Hotel verbringen, bevor es losgehen kann. Nach einer von Jetlag geprägten Nacht nehmen wir am folgenden Vormittag unser Gefährt für die nächsten drei Wochen entgegen. Die kleinste zu mietende Camper-Variante, ein sogenannter Truck Camper, ist dann doch gar nicht so klein, sondern bietet alles, was man in einer kleinen 1-Zimmer-Wohnung so erwartet: Herd mit Backofen, Dusche und WC, Kühl- und Gefrierschrank und ein großes Queen-Size-Bed - ist das noch Camping oder beginnt hier bereits das „Glamping“? Nachdem wir uns mit dem Auto vertraut gemacht haben und wir wissen, wie der Slider auszufahren ist, der Herd zu bedienen und das Abwasser zu entleeren ist, gehts in die nächste Mall zum Einkaufen. Nachdem auch das erledigt ist, machen wir uns auf gen Rocky Mountains.
Bei über 30°C fahren wir über den Trans Canada Highway gen Westen. Interessanterweise führen hier viele Straßen die Bezeichnung „Trail“, was ja gemeinhin eher für Trampelpfade und Wanderwege im Englischen gebraucht wird - das ist die vormalige Bezeichnung der Wege, die erst später ausgebaut wurden und in der Regel mit ihrem Namen auch an die First Nations der jeweiligen Region erinnern. Vom Stoney Trail geht’s also zum Trans Canada Highway, der uns in den Banff National Park in die Rocky Mountains bringt. Schon an unserem ersten Tag müssen wir aber erfahren, was es bedeutet, Kanada in der „Wildfire Season“ zu bereisen: der Rauch der vielen Brände sorgt nicht nur für einen unangenehmen Brandgeruch, sondern auch für eingeschränkte Sicht, auf Berge, Täler, Seen und Flüsse. Das ist natürlich eher suboptimal, wenn man eigentlich gerade aus diesen Gründen die Rockies bereist. Zum Glück sorgten die Winde immer wieder dafür, dass es Tage mit sehr guter Sicht gab, aber bei unser Ankunft am Two Jack Lake hatten wir bereits am Nachmittag den Eindruck als würde die Sonne gleich untergehen, so sehr verdunkelte der Rauch den Himmel. Wir entschieden uns dennoch, ein wenig die Gegend um den wunderschönen Lake Minnewanka zu entdecken.
Am nächsten Tag fahren wir auf dem „Smith Dornen Trail“ - einer Schotterpiste - vorbei am Spray Lake ins Kananaski Country - das ist zwar „nur“ noch ein Provincial und kein National Park mehr, dennoch ist es hier wunderschön und abseits der Haupttouristenwege auch nicht ganz so voll.

Unser Zeltplatz liegt direkt am Lower Kananaskis Lake

In der Nacht regnet es für ein paar Stunden, der Rauch verschwindet und am frühen Morgen können wir beobachten, wie der Nebel langsam aufsteigt und die Berge unter den Wolken zum Vorschein kommen. Fast so, als würde die Landschaft durchatmen.
Am nächsten Morgen machen wir dann erstmalig Bekanntschaft mit Grizzlybären, die zu dieser Jahreszeit vor allen Dingen damit beschäftigt sind, sich für den anstehenden Winterschlaf einen Winterspeck anzufressen. Die beiden Bären machen sich über verschiedene Beeren her und bemerken gar nicht die Beobachter (uns eingeschlossen), die auf dem Highway anhalten und Bilder machen.
Vom Kananaskis Country geht es dann wieder zurück in den Banff Nationalpark nach Lake Louise. Schon die Fahrt auf dem Highway durch das Tal des Bow Rivers ist aufregend: Canyons, Wasserfälle, Seen und die unendliche Weite sind wahnsinnig beeindruckend und erinnern an Alaska, wenn es hier in Kanada auch viel voller zugeht. Lake Louise ist die größte Attraktion des Parks, das sorgt nicht nur für volle Camping- und Parkplätze sondern auch für Kämpfe um die besten Fotospots. Der See ist tatsächlich wunderschön, von den Mineralien der umgebenden Gletscher türkisfarben und malerisch in einem von hohen Bergen umgebenen Tal gelegen. Dort kann man für nur 95 Dollar (sic!) pro Stunde (nein, nicht pro Tag) ein Kanu ausleihen oder aber man bemüht seine Beine und wandert zum Lake Agnes, genießt dort im Teehaus eine regionale Tee-Spezialität und wandert über den Beehive Mountain zurück zum Parkplatz.




Das touristische Potenzial hat man hier im Übrigen schon sehr früh erkannt, und so hat man sich entschieden, direkt an das Seeufer ein zehngeschossiges Luxus-Hotel zu bauen - in seiner Klobigkeit ziemlich beeindruckend und hässlich. Aber es gibt nebenan ja noch den Moraine Lake - dieser See ist angeblich nicht so überlaufen. Wir machen uns daher am nächsten Tag schon um 6:30 Uhr auf - und kriegen tatsächlich noch einen der regulären Parkplätze. Der See ist tatsächlich mindestens genauso malerisch gelegen. Mit der Zeit füllt sich der Aussichtspunkt, und als wir gegen 9:15 den Ort verlassen, stockt uns der Atem, als wir sehen, dass nicht nur der Parkplatz, sondern auch noch mindestens 3 Kilometer der engen Zufahrtsstraße zugeparkt sind. Also so richtig scheint das Land nicht auf den Ansturm der Touristen vorbereitet zu sein, denn diese Situation wird uns noch an einigen Orten begegnen.
Am nächsten Tag verlassen wir den Banff Nationalpark und fahren den Icefield Parkway gen Norden in den zweiten großen Park, den Jasper Nationalpark. Und die Fahrt ist tatsächlich spektakulär - wir fahren an wunderschönen Seen vorbei, die Lake Louise Konkurrenz machen, sehen Gletscher und riesige Flusstäler. Bevor das Wetter immer schlechter wird, der Regen beginnt und das Thermometer immer weiter fällt, passieren wir noch eine riesige Gruppe von Autos, die am Highway parkt, und erst bei genauerem Hinschauen sehen wir, dass ungefähr 50 Touristen einen einsamen Schwarzbären belagern, der sich gerade an den Beerensträuchern am Rande des Highways zu schaffen macht - ein wahrlich skurriles Bild.
Weiter geht es in den Norden, durch den Ort Jasper hindurch, der auch eine Station der Canadian Pacific Railway ist. An einem innerstädtischen Bahnübergang müssen wir gefühlte 20min warten, bis der (ebenfalls gefühlt) längste Zug der Welt passiert hat.

Der Maligne Lake liegt im Herzen des Jasper Nationalparks

Eine Tagesreise mit dem Kanu entfernt liegt Spirit Island, inmitten des 22 Kilometer langen Sees. Den First Nations ist die Insel heilig - der Geist eines Liebenden soll heute noch auf dem Eiland umgehend und hat hat der Insel so den Namen verliehen.
Wir haben Glück mit dem Wetter und der Sicht. Noch am Tag zuvor - so erzählen es uns die beiden kanadischen Ladys, die das Boot führen, das uns nach Spirit Island bringt - konnte man von der Mitte des Sees rauchbedingt die Ufer nicht sehen. Wir haben perfekte Sicht und fahren zu der Insel im See, die auf nicht wenigen Guides, Flyern und Postkarten abgebildet ist, wenn es um die kanadischen Rockys geht: Spirit Island. Die überwiegende Zeit des Jahres ist dabei Spirit Island gar keine Insel, sondern eine Halbinsel, die dabei dennoch ein perfektes Fotomotiv abgibt.
Nach unserem Ausflug zum Maligne Lake fahren wir bei mäßigem Wetter den Icefield Parkway zurück nach Lake Louise und dann weiter Richtung Westen in den nächsten Park, den Yoho Nationalpark. Hier, auf dem Emerald Lake, entschließen wir uns nun, ein Kanu zu leihen (diesmal nur 60 Dollar die Stunde) und erleben auf dem Wasser die partielle Sonnenfinsternis. Im Souverniershop am Seeufer erzählt uns die Kanu-Ausleihe-Frau, dass im Land keine Diskussion über die zukünftige Entwicklung des Tourismus stattfindet, die sich eigentlich ob der Situation am Lake Louise und Moraine Lake förmlich aufdrängt und die droht, die einmalige Schönheit der Nationalparks empfindlich zu stören.
Wir verabschieden uns aus dem Yoho Nationalpark und fahren weiter in den Glacier Nationalpark. Hier heißt es: Achtung Bärenwarnung! Nur Gruppen von mindestens vier Menschen ist es erlaubt, die Wanderwege zu nutzen. Doch gerade als wir vor Ort ankommen, wird diese Regelung für einige Wanderwege gelockert, sodass wir noch eine kleine Runde drehen können und einen Blick auf den Mt. Sir Donald erhaschen können. Auf unserem weiteren Weg nach Revelstoke bestaunen wir noch riesige, jahrhundertalte Zedern, bevor wir im Mt. Revelstoke Nationalpark ankommen und Quartier im Martha Creek Provincial Park direkt an einem riesigen Stausee beziehen.
Der Mt. Revelstoke NP umfasst eigentlich nur ein einziges Bergmassiv, das über eine Straße mit dem wunderbaren Namen „Meadows in the Sky Parkway“ erreicht werden kann. Nach unzähligen Haarnadelkurven erreichen wir den Gipfel, von dem wir einen unglaublichen Blick auf das umgebende Gebirge haben. Und nicht nur der Blick, auch die „meadows in the sky“, ausgedehnte Blumenwiesen, sind ein echter Hingucker.
In Revelstoke verlassen wir den Trans Canada Highway und machen uns in die Selkirk Mountains auf. Wir überqueren per Fähre den Upper Arrow Lake und suchen uns am Slocane Lake einen Platz für die Nacht. Durch Zufall stoßen wir auf den Wragge Beach Campground, der nur über eine abenteuerliche Schotterpiste zu erreichen ist und vom Highway nicht ausgeschildert ist. Auf der Piste zum Zeltplatz können wir nun auch unseren 4-Wheel-Drive ausprobieren. Der Aufwand hat sich dann aber auf jeden Fall gelohnt: der Zeltplatz liegt direkt am See, unter riesigen alten Bäumen und ist traumhaft schön.
Über den Christina Lake und das Okanagan Valley, das für seinen Obst-, Wein- und Gemüse-Anbau bekannt ist, geht es weiter zum Chilliwack Lake, unserer letzten Station bevor wir die Fähre nach Vancouver Island nehmen.












































Vom Wragge Beach geht es weiter gen Westen

Der Chilliwack Lake Campground liegt sehr malerisch am gleichnamigen See und ist eingerahmt von einem atemberaubenden Bergmassiv, das bereits die USA sind. Am Abend wird der riesige Camping-Platz zu einer großen Freiland-Party, auf der die Leute den Tag feuchtfröhlich ausklingen lassen.









Wir sind am nächsten Tag schon früh wieder auf den Beinen und machen uns auf zur Fähre in Tsawwassen. Von dort setzen wir über nach Swartz Bay auf Vancouver Island, einmal über die Strait of Georgia. Eigentlich wurden uns ja Wale, Delphine, etc. bei der Überfahrt versprochen - wir müssen uns jedoch damit begnügen, ohne tierische Begegnungen nach Vancouver Island zu fahren.
Drüben angekommen fahren wir bis nach Nanaimo und noch ein Stück weiter - dort ist unser präferierter Campingplatz ausgebucht, sodass wir zu einem privaten Stellplatz fahren, von dessen Besitzerin wir endlos viele nützliche und freundliche Reisetipps erhalten, inkl. wie wir uns bei einem Bärenangriff zu verhalten haben. Wunderbar! Mit derlei Infos versorgt, geht’s am nächsten Tag einmal über die Insel an die Westküste der Insel. Während an der Ostküste noch angenehme 25°C sind, wird es Inneren immer heißer: bei molligen 35°C machen wir Pause - genauso wie die vielen Lachse, die im Fluss Kraft schöpfen, bis es für sie weiter flussaufwärts zu ihren angestammten Laichplätzen geht. An der Westküste angekommen, ist die Temperatur wieder gefallen, und am nächsten Tag haben wir wieder 17°C - leichter Nieselregen begleitet dabei unseren Küstenspaziergang.
Am Nachmittag fahren wir dann nach Tofino, einem kleinen Ort am Ende der Straße, voller Hippies, Surfer und Touristen, dennoch: eines der sympathischsten Örtchen auf der ganzen Reise. Wir entscheiden uns, den Tag mit einem richtigen Essen in einem richtigen Restaurant ausklingen zu lassen und fahren am nächsten Tag zurück zur Ostküste der Insel. Dort übernachten wir dann auf dem Zeltplatz, der noch vor drei Tagen voll war (diesmal - im Gegensatz zu unserem ersten Versuch - hatten wir aber bereits drei Monate vorher reserviert!).
Letzte Station unserer Reise ist Vancouver, die Metropole in Westkanada. Nach unserer Fährfahrt am frühen Morgen (wieder keine Wale!) stellen wir das Auto auf unserem letzten Campingplatz ab und machen uns per pedes auf in die Innenstadt: klassische, nordamerikanische Großstadt mit postmoderner Hochhausarchitektur im Zentrum und kilometerlange Einfamilienhaus-Strukturen in der Peripherie - es gibt Schöneres. Ein kleines Viertel am ehemaligen Endpunkt der Canadian Pacific Railway hat den Hauch von Charme, den Rest der Stadt findet man in ähnlicher Gestalt in vielen Orten des nordamerikanischen Kontinents. Dennoch: die Stadt ist ob ihrer Lage direkt am Meer, Bucht und Fluss hübsch. Außerdem gibt man sich Mühe, Platz für Fußgänger und Radfahrer zu schaffen. Von oben sieht so etwas natürlich immer netter aus, gerade in der Nacht - also fahren wir mit dem gläsernen Fahrstuhl hoch zum Vancouver Lookout und genießen von dort den Sonnenuntergang über Vancouver. Nach einer regionalen Bierspezialität im historischen Gaston-Viertel geht es für uns am nächsten Tag, nach der Abgabe unseres Campers, schon wieder zum Flughafen und damit zurück nach Deutschland.

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