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Europa

Island: Corona-Ferien auf der Vulkaninsel

Im März verirren sich coronabedingt nur wenige Tourist*innen nach Island. Ein striktes Testregime durch die Isländer*innen und eine 5-tägige Quarantäne sind zwar für einen Großteil der Reisenden aufwändig und abschreckend, sorgen aber im Ergebnis für viel Freiraum und annähernd keine Menschen an den sonst überfüllte Highlights der Insel.

2.380 km
12 Tage
Direktflüge von Berlin nach Island gibt es nicht mehr. Icelandair, die einzige noch verbliebende Airline des Landes, fliegt Festlandeuropa nur noch drei Mal in der Woche an. Und dann eben eher Städte wie Amsterdam, Kopenhagen und London. Für uns heißt das daher: Umsteigen in Amsterdam, bevor wir nach 8 Stunden Reisezeit in Keflavík ankommen. Einen kurzen Moment waren wir am Morgen des Fluges unsicher, ob wir überhaupt fliegen konnten, brach doch tatsächlich genau in der Nacht zuvor ein Vulkan auf der Reykjanes Halbinsel aus, dazu dann später noch mehr.
Der obligatorische Corona-Test bei der Ankunft ist schnell erledigt. Hier ist - anders als in der Bundesrepublik - alles gut organisiert und vor allem digitalisiert. Wir holen unser Auto ab und fahren an unzähligen Reihen und Parkplätzen nicht genutzter Mietwägen vorbei - erste sichtbare Opfer der isländischen Touriusmusindustrie. Unsere fünftägige Quarantäne-Zeit verbringen wir im Südwesten des Landes, eine halbe Stunde hinter Selfoss, in Hvolsvöllur. Ein schönes, lichtdurchflutetes Haus in the middle of nowhere. Eine Pferdekoppel nebenan und sonst nur Wiesen, Berge und Nordlichter, die uns schon am ersten Abend ein großartiges Himmelsspektakel liefern. Die Internetverbindung ist super und so vergehen die nächsten Tage im Homeoffice schnell. Es schneit und stürmt immer mal wieder, ansonsten passiert wenig. Nachdem dann unser zweiter Test (Drive-Thru) ebenfalls negativ ausfällt, können wir die Quarantäne verlassen.
Mit dieser neuen Freiheit steuern wir zuerst den Vulkan Fagradalsfjall auf der Halbinsel Reykjanes an. Ein sehr touristenfreundlicher Vulkan. Gut zu besuchen und zu erwandern. Wir entscheiden uns zuerst, ob der knappen Zeit am Nachmittag, für einen Helikopterflug. Und nach einem kurzen Flug landen wir dann auch schon direkt neben dem Schlund. Ein wirklich atemberaubender Anblick und auf Grund der Wärme und grollenden Geräusch eine sehr physischen Erfahrung.
Für die nächsten Tage haben wir uns eine kleine Tour ins isländische Hochland, im Innern des Landes, gebucht: es geht mit einem Superjeep in die Þórsmörk. Das ist ein riesiges Tal umgeben von majestätischen Bergen, Vulkanen und Gletschern, das ganzjährig Ziel von unzähligen Tourist*innen ist. Wir allerdings fahren ganz allein mit unserem Guide in die Wildnis, überqueren halb zugefrorene Flüsse und schneewandern durch eine unberührte Natur. Am Nachmittag kommen wir in unserer Unterkunft an, die eigentlich Platz für über 200 Menschen liefert, jetzt aber nur von einem Menschen dauerhaft besetzt ist. Auch wir werden an diesem Tag die einzigen Gäste bleiben. Am Nachmittag unternehmen wir noch eine kleine Wanderung bevor kurz nach 17 Uhr ein typischer, isländischer Sturm auf die Insel trifft und jegliche Outdoor-Aktivitäten verbietet.












































AM NÄCHSTEN TAG HAT SICH DER STURM GELEGT.

Wir fahren mit unserem Gefährt noch einmal weiter in die Wildnis hinein, bis das Tal endet und sich der erste Gletscher des Vulkans Katla den Berg herunterschlänget und ein Weiterkommen unmöglich macht. Bei strahlenden Sonnenschein wandern wir mit unseren Schneeschuhen bewaffnet immer weiter und entdecken am Fuße des Gletschers zwei atemberaubenden Eishöhlen, eine grandioser als die andere.

Nach unserem Ausflug in die Þórsmörk fahren wir die Ringstraße Nr.1 weiter gen Osten vorbei an den schwarzen Stränden von Vík und den majestätischen Gletschern des Skaftafells bis kurz vor die Gletscherlagune von Jökulsárlón. Nach dem Schnee und den Stürmen der vergangenen Tagen scheint in den nächsten Tagen ausschließlich die Sonne - so ist es zwar empfindlich kalt aber die Sonnencreme kommt dennoch erstmalig zum Einsatz.
Wir wandern zum Svinafell und lauschen dem Knacken und Krächzen des Gletschers und beobachten eine Robbenfamilie in der Jökulsárlón bevor die Sonne hinter den Bergen untergeht und die Eisberge in ein magisches Licht taucht. Einen Nachmittag planen wir auch für eine Wanderung zum Múlagljúfur Canyon ein. Das ist tatsächlich noch ein kleiner Geheimtipp in dem doch sehr gut erschlossenen Island. Bei strahlendem Sonnenschein stapfen wir durch teils kniehohen Schnee den Canyon hoch, bis es nicht mehr weiter geht und wir einen wunderschönen Ausblick nicht nur in die Schlucht, sondern auch auch in die andere Richtung bis zu den Gletscherlagunen genießen können.
Unsere Reise führt uns am kommenden Tagen weiter nach Osten in den kleinen Küstenort Höfn, der aber - wie so häufig in Island - eigentlich ein regionales Zentrum ist. Von dort machen wir einen Ausflug auf die andere Seite der Bucht auf die Halbinsel Stokksnes mit ihrem majestätischen Bergmassiv Vestrahorn, das nicht nur einige Assoziationen zu Game of Thrones weckt.
Und weiter geht’s auf der Ringroad gen Osten, durch die Eastfjords bis nach Egilsstaðir, wo wir auf einer Farm unsere Unterkunft für die nächsten Tage beziehen, die wieder reichlich Wind versprechen. Solange das Reisen noch möglich ist, schauen wir uns das kleine Fischerörtchen Seyðisfjörður an, von wo aus die wöchentliche Fährverbindung nach Dänemark startet. Das kleine Örtchen liegt bezaubernd schön am Fjord und lädt zu einem kleinen Spaziergang gerade zu ein. Am nächsten Tag geht es bei einer steifen Brise zum Hengifoss, einem hübschen Wasserfall am Lagarfljót, einem See, der sich von Egilsstaðir nach Norden und nach Süden ausbreitet. Nachdem es unsere Drohne bei Gegenwind nur sehr knapp wieder zu uns zurück geschafft hat, fahren wir wieder zurück in unsere kleine Hütte und verbringen den Rest dieses stürmischen Tages drinnen während der Wind beständig an der Fassade rüttelt.
Am nächsten Tag verlassen wir den östlichen Landesteil und fahren gen Akureyri, der Hauptstadt des Nordens. Auf unserem langen Weg dorthin machen wir einen kleinen Abstecher zum Stuðlagil Canyon, der sich ein Stück weit von der Ringstraße entfernt im Landesinnern befindet und ob des noch immer stürmischen Wetters und der Jahreszeit komplette verwaist war. So richtig hat sich uns die Schönheit dieses Ortes nicht erschlossen, aber das liegt vielleicht auch ein wenig daran, dass wir auf Grund des ganzen Eises und Schnees nicht runter zum Fluss konnten, von wo sich angeblich der bessere Blick ergeben würde. Wir fahren zurück zur Hauptstraße und erleben, auf der Fahrt bis zu unserem Zwischenhalt am Mývatn, das erste Mal „Blowing Snow“, wie es so schön auf den Karten des isländischen Wetterdienstes heißt. In der Realität bedeutet das folgendes: frisch gefallener Schnee, der durch starken Wind oder Sturm über die Straße geweht wird und damit die Sicht massiv einschränkt. Hätten wir über weite Teile kein Auto vor uns gehabt, wäre das Fahren nahezu unmöglich gewesen. Nach einer gefühlten Ewigkeit kommen wir am Mývatn an, machen eine kurze Pause und fahren dann den kürzeren Teil weiter nach Akureyri.
Der zweite Tag im Norden steht ganz im Zeichen des Seengebiets um Mývatn. Dieses vulkanisch entstandene Seengebiet sollte auf keiner Island-Rundreise fehlen. Ein Highlight ist sicherlich der Vulkankrater Hverfjall, der schon von weitem sichtbar ist und der sowohl bestiegen als auch umrundet werden kann. Von der Kraterkante hat man einen fantastischen Blick in alle Richtungen. Bevor es jedoch zurück nach Akureyri machen wir noch einen Abstecher in das geothermale Gebiet um Krafla. Dort steht ein riesiges, weiß qualmendes Kraftwerk, an das sich eine ausgedehnte Hügellandschaft anschließt, die mit Leitungen und kleinen Hütten überzogen ist, die offensichtlich, Energie aus Erdwärme erzeugen. Auch hier sind wir wieder sehr allein, nur wenige Tourist*innen verirren sich in dieses unwirtliche Gebiet abseits der Hauptstraße. Nach einer weiteren Nacht im Norden verabschieden wir uns schon wieder aus Akureyri und steuern Holmavík als nächstes Ziel an. Einen kleinen Ort in den Westfjords der Insel.

Das Wetter ist auf der gesamten Fahrt sonnig.

Bei fast schon frühlingshaftem Wetter befahren wir die Strecke zwischen Akureyri und Blönduós - sicherlich einer der reizvollsten Abschnitte der gesamten Ringstraße. Irgendwann biegen wir rechts von der Hauptstraße ab und fahren erstmalig auf die Westfjords, einen einsamen und noch dünner besiedelten Landstrich Islands.
Und tatsächlich kommen uns hier noch weniger Autos entgegen und immer wieder wird der Asphalt auf der Straße durch Schotter unterbrochen. Wirkliche Ortschaften oder gar Städte gibt es hier gar nicht mehr. Nur ab und zu ist ein Hof rechts oder links der Straße auszumachen. Manchmal hat man eine Kirche ins Nirgendwo gebaut, vermutlich um den verstreuten Höfen der Umgebung ein Zentrum zu geben. Auf unserem Weg nach Hólmavík, dem ersten wirklichen Ort, wenn wenn von der nördlichen Seite auf die Westfjords fährt, sehen wir aber nicht nur sich sonnende Robben, sondern auch einige Wale. Den Abend nutzen wir noch einmal um ein wenig die Gegend zu erkunden, denn spätestens am kommenden Morgen schneestürmt es auf den gesamten Westfjords. Eigentlich sind es von unserem Haus nur wenige Meter bis zum Meer, die meiste Zeit an diesem Tag können wir dieses aber ob des Schnees gar nicht mehr sehen. Nur einmal wagen wir es für einige Minute aus dem Haus, um im naheliegenden Supermarkt etwas einzukaufen. Der nächste Morgen verspricht laut Wetterbericht dann aber Besserung.
Und so ist es auch. Am nächsten Morgen scheint die Sonne und wir starten unsere Westfjords-Tour. Diese führt uns einmal um die gesamte Halbinsel mit ihren unzähligen Fjords, was uns nicht nur majestätische Ausblicke beschert, sondern auch einfach sehr lange dauert. Unser Ziel ist der Dynjandi Wasserfall, ganz im Westen. Durch den Schnee und die noch immer tiefen Temperaturen ist der Wasserfall aber als solcher gar nicht richtig zu erkennen, vielmehr wirkt alles wie eine riesige Wand aus Schnee und Eis, aus der ein bisschen Wasser fällt. Nach unserem kleinen Stoppover geht es weiter nach Ísafjörður, der heimlichen Hauptstadt der Westfjords und dann am südlichen Ufer des Ísafjarðardjúp zurück nach Hólmavík. Dort kommen wir am späten Abend müde aber glücklich an.
Am nächsten Morgen geht es zurück nach Reykjavík, wo wir uns direkt in der Altstadt eine kleine Airbnb-Wohnung für die letzten Tage unseres Island-Urlaubs gebucht haben. Zwar ist im April das Leben schon wieder zurückgekehrt in die Restaurants und Cafés, aber die fehlenden Tourist*innen und die damit ausgebliebenen Einnahmen haben zu einem massiven Exodus im Einzelhandel und der Gastronomie in der Rejkavíker Innenstadt geführt. Auf der einen Seite sieht das ziemlich gruselig aus, auf der anderen Seite war der Overtourism der vergangen zehn Jahre in Island vielleicht auch nicht unbedingt das gelbe vom Ei. Wir sind gespannt, ob und wenn ja, welche Lehre das Land aus der Pandemie zieht, in der viele Isländer*innen ihre eigene Insel auch ein Stück wiederentdeckt haben.
Wir nutzen diese letzten Tage, um durch die Innenstadt zu spazieren, die Harpa (das große Konzerthaus am Hafen) anzuschauen, endlich mal wieder in ein Restaurant und Café zu gehen und last but not least natürlich noch einmal zum Vulkan zu wandern. Der hat sich nämlich nach unserem ersten Besuch innerhalb von 2,5 Wochen nicht nur zu einem Besuchermagnet entwickelt, sondern hat schon zu dieser Zeit die Landschaft massiv verändert. Nun sprudelt die Lava nicht nur aus einem Krater, es haben sich zu dieser Zeit vier Krater geöffnet, aus denen glutrote Lava quillt, die das umliegende Tal immer weiter füllt. Und obgleich wir unseren Aufstieg in einem kleinen Schneesturm starten, klart es am Lavafeld angekommen auf uns legt die Sicht frei auf das gesamte vulkanische Gebiet.
Sjáumst fljótlega, Ísland!

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