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Europa

Das Baltikum: Europas einsamer Nordosten


Ganz im Nordosten des Kontinents schmiegen sich die drei baltischen Staaten Litauen, Lettland und Estland an die Ostseeküste – zwei Wochen lang fahren wir durch einsame Landschaften, Hochmoore und Wälder, entdecken einsame Strände und verlassene Leuchttürme und bummeln durch die mittelalterliche Hansestädte Vilnius, Riga und Tallinn.

1.064 km
12 Tage

Doch zunächst geht’s zum Tanzen nach Polen. Dort, kurz vor Kołobrzeg (dt. Kolberg), in Rogowo, direkt an der Ostsee findet das alljährliche „Plötzlich am Meer Festival“ statt. Das ist ein bisschen wie eine kleine Fusion mit Strandbühne. Nur: auf der Fusion stehen Autos und Zelte in der Regel auf trockenen Wiesen des Lärzer Flugplatzes – hier, an der polnischen Küste ist die Wiese des Zeltplatzes schon zu Beginn der Feierei am Freitag komplett durchgeweicht und erinnert eher an Feucht-, denn an eine Wiese zum Zelten. Während sich also nach unserer Ankunft in Rogowo hier und da die Autos und Bullis festfahren oder beim Eintauchen in einen kleinen Teich doch die bittere Erfahrung machen müssen, keine Amphibienfahrzeuge zu sein, geht es für uns aufs Festivalgelände: ein weitläufiges Areal einer ehemaligen Fabrik. Bis Sonntag bewegen wir uns also zwischen Bulli, Strand und Festival, während sich der Zeltplatz immer mehr zu einer Matschwüste entwickelt. Mit viel Gefühl beim Anfahren im zweiten Gang und tatkräftiger Unterstützung beim Schieben können wir dem Matsch entfliehen – den Festgefahrenen bleibt nur das sechsstündige Warten auf den Traktor.
Von Rogowo geht es gen Osten, entlang der Küste bis nach Gdańsk (dt. Danzig). Hier legen wir einen kurzen Stopp ein, flanieren durch die Gassen der Altstadt, genießen den Blick vom Kirchturm und essen den ersten Fisch aus der Ostsee. Wer von Danzig nun aber weiter ins Baltikum möchte, dem stellt sich Kaliningrad in den Weg - die russische Exklave zwingt uns dazu, einen weiten Bogen zu fahren um zwischen Russland und Weißrussland den schmalen Grenzstreifen zwischen Polen und Litauen zu überqueren. Unsere erste Nacht verbringen wir auf dem Weg zwischen Kaunas und Klaipėda (dt. Memel), direkt am Ufer der Nemunas (dt. Memel), die hier auf einigen Kilometern die Grenze zwischen Russland und Litauen bildet. Von dort geht es am nächsten Tag weiter ans Kurische Haff, nach Klaipėda. Schon früh auf unserer Reise wird uns klar, dass unsere Fahrweise sehr konservativ-defensiv ist: gewagte Überholmanöver und 100 km/h auf der 60er-Strecke sind keine Ausnahme und machen das Reisen zu einer aufregenden Sache.

In Klaipėda rollen wir auf die Fähre

Wir setzen auf die kurische Nehrung über, diese langgestreckten Landzunge zwischen Haff und Ostsee. Drüben angekommen geht es noch einmal über 50 km nach Nida (dt. Nidden), kurz vor die russische Grenze. Ein altehrwürdiges Ostseebad, dass mit seiner Promenade und seinem hübschen Holzhäuschen ganz charmant daherkommt.
Thomas Mann sah das wohl ähnlich und baute sich hier 1930 seine Sommerresidenz mit Blick aufs Haff – traumhaft. Mit unseren ausgeliehenen Fahrrädern radeln wir bei strahlendem Sonnenschein über die Halbinsel. Ganz in der Nähe unseres Zeltplatzes wartet auch schon das erste Highlight. Dort angekommen umschwärmen uns Touristenscharen – hier also muss was Tolles sein. Und in der Tat: die riesigen Dünen sind beeindruckend, bis nach Russland reichen sie und haben in vergangenen Jahrhunderten immer wieder ganze Ortschaften verschüttet, bis man sie irgendwann im 19. Jahrhundert durch Bepflanzung in ihrer Bewegung eingrenzen konnte.
Apropos Grenze: es verirren sich wohl immer wieder Wanderer nach Russland, da der litauisch-russische Grenzverlauf nicht immer ganz eindeutig ist. Dort wo die Grenze auf den unendlich langen Strand trifft, hat man es sich auch einfach gemacht: zwei Schilder und dazwischen eine Schnur – es scheint also nicht ganz so viel „begrenzt“ werden zu müssen. Kurz bevor wir uns mit den Rädern zurück nach Nida machen, halten wir kurz, um ein Paar Pilze zu sammeln – und in der Tat braucht man nicht zu suchen – vielmehr stehen hier einfach so viele Steinpilze rum, dass man sich nur ein mal drehen muss, um sein Abendbrot zu sichern.




Von der Küstenstraße auf dem Weg ans Kap Kolka machen wir einen kurzen Abstecher zur Radarstation in Irbene. Die Sowjets nutzten die riesigen Antennen zum Abhören westlicher Telefongespräche, heute nach dem Abzug der Sowjets werden die beiden Radarantennen von der Wissenschaft genutzt. Etwas Surreales hat es schon, wenn auf einmal, mitten im Nichts, eine Antenne mit einem Durchmesser von 30m im Wald auftaucht.
Das Kap von Kolka trennt die offene Ostsee von der ruhigeren Rigaer Bucht, ist aber, ob seiner Überfüllung durch Touristen, nicht so spektakulär. Auf unserem Weg gen Rīga verbringen wir noch eine Nacht an der Bucht bevor es am nächsten Tag in die Stadt geht. Rīga ist eine hübsche hanseatische Stadt, die vom Einfluss des sowjetischen Brutalismus, jedenfalls in der Innenstadt, gottseidank verschont blieb. Daher schieben sich riesige Gruppen deutscher und schwedischer Touristen (letztere fahren mit dem Schiff als Tagesausflug von Stockholm nach Rīga – auch, aber natürlich nicht nur wegen des an Bord günstig zu erwerbenden Alkohols) über die kopfgesteinten Gassen der Altstadt.
Nichtsdestotrotz genießen wir den Flair, der mit seinem großen Jugendstil-Quartier auch außerhalb der Altstadt viel Sehenswertes zu bieten hat. Von Rīga fahren wir weiter nach Tūja, um dort noch einmal eine Nacht mit Blick auf die Ostsee zu verbringen, bevor es dann am nächsten Tag weiter nach Estland geht.
Die Grenze zwischen Lettland und Estland ist auch nur noch ein dahin rottendes Gebäude, um das wir einen größeren Schlenker fahren müssen, bevor es auf estnischen Wegen weiter gen Norden gehen kann. Unser erstes Ziel ist Saaremaa, die größte der estnischen Ostseeinseln. Wir halten daher nur kurz in Pärnu (dt. Pernau), um unsere Vorräte aufzufüllen, bevor es in Virtsu (dt. Werder) auf die Fähre nach Muhu geht, die kleiner, Saaremaa vorgelagerten Insel, die mit derselben durch einen befahrbaren Damm verbunden ist.
Die Insel überqueren wir erst einmal komplett von Ost nach West, um zur einsamen Halbinsel Sörve zu gelangen, die über 50 km in die Rigaer Bucht hineinragt und auf der wir nur hin und wieder Kontakt zu anderen Menschen haben. Hier können wir unseren Bulli direkt an der Küste parken und dem atemberaubenden Sonnenuntergang zuschauen.
Am kommenden Tag fahren wir kreuz und quer über die Insel, besichtigen einen der „größten“ Metereoitenkrater Europas (man ist sehr stolz darauf) und statten den regional stark verbreiteten kleinen Holzwindmühlen einen Besuch ab. In der Hauptstadt der Insel, Kuressaare (dt. Arensburg), werfen wir noch einen Blick in die wunderbar erhaltene Bischofsburg, bevor es wir uns noch einmal einen einsamen Stellplatz zwischen Wald und Meer suchen.
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Von dort geht es dann weiter nach Tallinn (dt. Reval), der Hauptstadt des Landes, die nur noch eine kurze dreistündige Fährfahrt von Helsinki entfernt ist. Tallinn überrascht uns mit einer eklektischen Mischung aus alter, teilweise mittelalterlicher Architektur und modernen Glas- und Stahlbauten, die dem Stadtbild ein ganz eigenes Flair verleihen. Nach einem kurzen Intermezzo mit dem städtischen Leben machen wir uns vom nördlichsten Punkt der Reise wieder auf gen Süden.
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Ziel der Etappe ist der Soomaa Nationalpark, ein riesiger, von Hochmooren dominierter Landstrich im Südwesten des Landes. Und hier werden wir dann erstmalig auch mit Terror-Mücken konfrontiert, die sofort auf Angriff schalten, sobald man das geschützte Gefährt verlässt.
Wir verabschieden uns von den estnischen Mooren und fahren weiter gen Süden, auf der Via Baltica, zurück nach Lettland, an Rīga vorbei, bis wir am Ortsausgang von Jelgava (dt. Mitau) einen kurzen Tankstopp einlegen, der dann leider doch ein etwas länger wurde: der Bulli, der bis dahin nur wenige Probleme machte, wollte auf einmal nicht mehr anspringen. Also Abschleppdienst bestellt und das erstbeste Hotel in Jelgava gebucht, das leider seine Schönheit auf dem Schlachtfeld des 2. Weltkrieges verloren hat. Heute dominiert 50er Sowjetarchitektur das Stadtbild. Am nächsten Tag wandern wir frohen Mutes zur Werkstatt, die doch tatsächlich auch an einem Sonntag geöffnet hat, nur ist uns die holde Dame am Empfang nicht ganz so gewogen und will uns weder verstehen noch einen Monteur zu unserem Bulli schicken. Völlig frustriert ziehen wir von dannen und siehe da, auf einmal startet das Auto wieder – juhu! Wir beladen das Gefährt und fahren – ohne es auch nur einmal auszumachen – bis nach Vilnius (dt. Wilna), die litauischen Hauptstadt.
Doch nach unserem kleinen Ausflug durch die Innenstadt von Vilnius mit ihren tausenden Kirchen, will der Bulli nun wirklich nicht mehr. Das beschert uns einen ganz extra Tag in Vilnius. Nach vielem Hin und Her und bereits gebuchten Flügen zurück nach Berlin, können wir den Bulli dann doch noch auf den letzten Drücker repariert abholen und machen uns auf die lange Tour von Vilnius nach Berlin – 1000 km durch Litauen, Polen und den Osten Brandenburgs. 14 Stunden und 3x Tanken später kommen wir des Nächtens zurück in Berlin an.

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